22.11.2022
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„Alles Finster“

Gutbesuchter Infoabend des KFV Traunstein – Feuerwehren bereiten sich vor

Traunreut. „Alles Finster“, die mehrteilige Fernsehserie der ARD über ein fiktives Dorf, das mit einem langanhaltenden europaweiten Stromausfall zu kämpfen hatten, sorgte im Sommer für Aufsehen. Das Thema Stromausfall ist auf Grund verschiedener Entwicklungen verstärkt in das Blickfeld der Einsatzkräfte gerückt. „Es muss nicht unbedingt ein europaweiter Stromausfall sein, gerade Unwetterereignisse zeigen immer wieder, dass es schnell zu längeren Versorgungsausfällen kommen kann“, so Kreisbrandrat Christof Grundner beim Infoabend im Feuerwehrhaus Traunreut, an dem rund 110 Führungskräfte der 80 heimischen Feuerwehren teilnahmen.


„Es ist ein Thema, das uns alle bewegt - wobei nie gedacht hätte, dass es so schnell eine derartige Brisanz gewinnt“, so der Traunsteiner Kreisbrandrat bei der Eröffnung des Infoabends gegenüber den Vertretern der heimischen Feuerwehren. Der Fachbereich 5 des Kreisfeuerwehrverbandes Traunstein unter der Leitung von Josef Egginger nimmt sich schon seit langem dieser Thematik an und erarbeitet mögliche Strategien für den „Fall der Fälle“. Wie Christof Grundner sagte, „habe ich mir das erste Mal 2017 in der Sturmnacht während des Chiemsee Raggae Summer gedacht, hier muss man etwas unternehmen“. Er berichtete, dass es im Ortgebiet von Übersee komplett dunkel war und das Feuerwehrhaus als „Leuchtturm“ von den Besuchern förmlich gestürmt wurde, die Unterschlupf vor dem Sturm suchten. 


Als weitere Beispiele nannte er die Schneelage 2019. Teilbereiche von Siegsdorf, Ruhpolding, Inzell und Reit im Winkl waren zeitweise ohne Strom, weil beispielsweise abgebrochene Äste die Freileitungen beschädigt hatten. Ein weiteres Beispiel bildeten die starken Regenfälle im Sommer des vergangenen Jahres, die immer wieder mit Stromausfällen in den betroffenen Gebieten einhergegangen sind. Im Stadtgebiet von Traunreut war es im vergangenen Jahr ebenfalls zu einem größeren Stromausfall gekommen. „Im Landkreis Freising ist letztes Jahr über Moosburg ein Tornado hinweggezogen. 13.000 Haushalte waren stundenlanglang ohne elektrischen Strom und die Feuerwehren sowie andere Hilfsorganisationen massiv gefordert, den unzähligen Hilfegesuchen hinterherzukommen“, so Christof Grundner


„Natürlich kann niemand vorhersagen, ob es zu einem Ausfall kommt und wann, ich möchte aber, dass wir Feuerwehren uns bestmöglich auf diese Szenarien vorbereiten, wenngleich wir niemals allen Betroffenen helfen können“, so der Kreisbrandrat. Deshalb wurde bereits vor mehreren Monaten mit einer Bestandaufnahme begonnen. Diese soll einen Überblick geben, wie jede einzelne Feuerwehr ausgestattet ist und welche Feuerwehrhäuser auf eine Notstromeinspeisung samt Stromerzeuger zurückgreifen können. Die Ergebnisse fließen dann allesamt in ein Einsatzkonzept, das am „Tag X“ einen wertvollen Zeitgewinn bringen soll und man im Ernstfall nicht bei „null“ anfangen muss.


Sollte es zu einer Energiemangellage kommen, so sind die Feuerwehren ganz sicher davon betroffen. Im Rahmen des Katastrophenschutzes werden sie dann zur Hilfe herangezogen und müssen auch damit rechnen, dass sie über die Gemeinde- und Landkreisgrenzen über einen langen Zeitraum hinweg eingesetzt werden können. „Dies sind keine planbaren Einsatzlagen und treten plötzlich auf. Es ist davon auszugehen, dass sie die Strukturen des Hilfeleistungssystems an die Grenzen bringen werden“, so Christof Grundner. Man muss davon ausgehen, dass dann auch deutlich weniger Helfer zur Verfügung stehen, weil diese in ihrem privaten Umfeld gefordert sind und nicht zur Feuerwehr kommen können.


Eine Schlüsselstelle bildet die Kommunikation. Derzeit werden alternative Möglichkeiten erarbeitet, wie Einsatzaufträge der Leitstelle an die Feuerwehren gelangen, wenn weder Telefon noch Funk zur Verfügung stehen. Gleichzeitig erarbeiten die Mitglieder im Fachbereich einen Vorschlag, wie man für die Bürger vor Ort eine Anlaufstelle bieten kann, in der rund um die Uhr zumindest die Möglichkeit der Ersten Hilfe oder idealerweise eine Verbindung zur medizinischen Versorgung aufrechterhalten werden kann. Es wird unmöglich sein, dass in allen Orten ein Rettungswagen positioniert ist, der bei medizinischen Notfällen eingreifen kann. Aus diesem Grund müssen Anlaufstellen geschaffen werden, an die sich die Menschen wenden können, so eine wichtige Erkenntnis der bisherigen Recherchen.


Ein großes Augenmerk legen die Verantwortlichen auch auf die sogenannten Objekte der kritischen Infrastruktur, die sind in der Regel die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsfürsorge wie beispielsweise Kranken- und Altenheime, Apotheken, Arztpraxen oder Geschäfte des täglichen Bedarfs. Gleichzeitig müssen Versorgungsstrukturen geschaffen werden, die die Stromerzeuger und Aggregate mit Treibstoff versorgen. Eine Idee ist es deshalb, eine Art mobile Treibstoffverteilung anzubieten und Tankstellen ausfindig zu machen, die auch ohne Stromversorgung betrieben werden können.


Ein weiterer Baustein der Fachbereichsarbeit ist die Versorgung der Einsatzkräfte sowie die Schichtfähigkeit der Einheiten. „Es ist niemanden geholfen, wenn in den ersten Stunden mehr Helfer als nötig zur Verfügung stehen und bei einem längeren Einsatz dann niemand mehr kommen kann“, so Christof Grundner. Deshalb ist es auch wichtig, dass Kräfte verpflegt werden können und sie gegebenenfalls Schlafmöglichkeiten in den Feuerwehrhäusern haben. Dies gilt auch für die Wasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung oder eine funktionierende Heizung in den Gerätehäusern.


Anhand einer Zeitschiene wird derzeit erarbeitet, wann welche Probleme auftauchen können. So gehen die Verantwortlichen beispielsweise davon aus, dass ab der „Stunde null“ der Mobilfunk ausfällt und erste Brandmeldeanlagen mangels Stromversorgung Alarm schlagen. Aus der Erfahrung heraus weiß man, dass beispielsweise Heimbeatmungsplätze rund zwei Stunden ohne Strom auskommen und dann dringend eine externe Einspeisung brauchen. Derzeit geht man davon aus, dass eine Funkverbindung der Einsatzkräfte rund zwei Stunden möglich ist. „Ziel ist es, dass man das Netz flächendeckend mit einer Notstromversorgung für 72 Stunden aufrechterhalten kann. Davon ist man allerdings noch ein Stück weit entfernt“, so Christof Grundner.


Viele sind derzeit damit beschäftigt, derartige Einsatzlagen zu planen. Neben den Feuerwehren sind auch alle anderen Hilfsorganisationen darin eingebunden. Aber auch in den Verbänden der Feuerwehren arbeiten die Akteure an Konzepten. Auf der Ebene des Bezirksfeuerwehrverbandes findet derzeit ein reger Austausch unter den Kreisbrandräten statt, dort werden neben bisher gemachten Erfahrungen auch Ideen besprochen und ausgetauscht. Der Landesfeuerwehrverband Bayern hält die Verbindung in die Ministerien und zu den Regierungsvertretern. „Viele Kommunen haben ihre Feuerwehrhäuser bereits ausfallsicher und stromunabhängig ausgestaltet. Manche haben unsere Empfehlungen aus den letzten Jahren nicht so ernst genommen und sind jetzt dabei, den Rückstand aufzuholen“, so ein weiteres Fazit der aktuellen Entwicklung.


Die überaus starke Beteiligung von Vertretern der Mitgliedsfeuerwehren im Kreisfeuerwehrverband Traunstein spricht dafür, dass dies eigentlich überall in der Region derzeit ein Thema in den Feuerwehren ist. Damit dann alle Interessierten am Infoabend teilnehmen konnten, sind die Organisatoren kurzfristig vom Schulungsraum des Traunreuter Feuerwehrhauses in die Fahrzeughalle umgezogen. Josef Egginger zeigt sich mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden. „Hier zahlt sich wieder einmal die Fachbereichsarbeit aus und viele Mitglieder bringen sehr gute Gedanken in die Planungen mit ein. Zugleich haben sich am selben Abend noch weitere Feuerwehrvertreter gefunden, die in die Fachbereichsarbeit einsteigen wollen“. Unterstützt wird deren Arbeit unter anderem von den beiden Fach-Kreisbrandmeistern Florian Scholz und Ingo Klepke, die ihre Expertisen über „Einsatztaktik und Führung“ sowie „Digitalfunk“ mit einbringen. Hob

Text und Bilder
Hubert Hobmaier
Kreisfeuerwehrverband Traunstein